Stillstand ermöglicht Entwicklung
Stillstand ist nicht das Problem. Er macht Entwicklung möglich.
Veränderung ist der Normalzustand. Biologisch gesehen entfaltet sich Leben in Zyklen: Wachsen, Reifen, Vergehen. Physikalisch betrachtet ist selbst Ruhe nur scheinbar. Atome schwingen, Energie bleibt in Bewegung.
Und doch erleben viele Menschen einen Zustand, der sich wie Stillstand anfühlt. Während im Außen vieles in Bewegung ist, entsteht innerlich eine Starre. Es fehlt an Verbindung zu sich selbst, an gedanklicher Beweglichkeit, an spürbarer Klarheit. Das Denken wird eng, der Körper müde, die innere Ausrichtung verschwimmt.
Die Versuchung des schnellen Weitergehens
In meiner Arbeit begegnet mir oft ein vertrautes Muster: Menschen, die viel leisten, schnell Lösungen finden, Prozesse optimieren und dabei den Kontakt zu sich selbst verlieren.
Veränderung wird dann zum nächsten Vorhaben: ein neues Projekt, eine neue Rolle, ein neuer Plan. Getrieben vom Wunsch, inneres Unbehagen durch äußeres Tun loszuwerden. Doch ohne innezuhalten und genauer hinzuschauen, bleibt Veränderung an der Oberfläche. Was nicht geklärt ist, wirkt im Verborgenen weiter – in Entscheidungen, Haltungen, Reaktionen.
Was nicht integriert ist, bleibt wirksam
Unverarbeitetes zeigt sich – früher oder später. Als innere Unruhe. Erschöpfung. Das Gefühl, leer zu laufen.
Integration heißt: nicht nur erkennen, sondern auch emotional und körperlich verarbeiten. Erst dadurch kann sich das Erlebte einordnen und Neues entstehen.
Unverarbeitetes bleibt nicht stumm. Es wirkt, oft dort, wo wir es nicht vermuten.
Solche Prozesse brauchen Raum und Zeit – und manchmal auch Begleitung.
Stillstand als Ausgangspunkt
Was sich wie Stillstand anfühlt, wird oft als Problem erlebt. Dabei ist genau dieses Gefühl der Ausgangspunkt für ENTwicklung. Nicht weil etwas getan wird, sondern weil wir hinspüren. Bleiben.
Dann darf sich zeigen, was unter der Oberfläche wirkt: ein vertrautes Muster, eine Schutzstrategie, eine leise Überzeugung.
Genau dieses bewusste Erkennen – mit allem, was dazugehört – macht Entwicklung möglich.
Was bedeutet das in der Praxis?
Ein Beispiel: Eine Abteilungsleiterin kommt ins Coaching. Sie fühlt sich überfordert, obwohl objektiv alles läuft. Im Gespräch wird deutlich: Sie übernimmt ständig Verantwortung für andere. Dieses Muster hat ihr viel ermöglicht. Aber jetzt engt es zu sehr ein.
Das Ziel ist nicht, dass sie sich verändert. Sondern dass sie erkennt, dass dieses Muster in ihr aktiv ist und wie sie es selbst aufrechterhält. Sie erkennt, welchem inneren Bedürfnis sie damit dient und welches dabei zu kurz kommt.
Ein innerer Konflikt wird spürbar: der Wunsch, Teil des Ganzen zu sein und gleichzeitig so zu bleiben, wie sie ist, in ihrer Einzigartigkeit.
Genau dieses Bewusstwerden mit den dazugehörigen Gefühlen macht Entwicklung möglich. Nicht als Bruch mit dem Alten, sondern als neuer Umgang mit diesem inneren Widerspruch, dessen Gegensätze in Balance zu bringen sind.
Eine Frage an dich
Was würde sich ändern, wenn du inneren Stillstand nicht übergehst, sondern dich ihm zuwendest?